Eine zweifelhafte Unterschrift klärt die oft diskutierte Frage
Echt oder Double? Eine Täuschung wird aufgedeckt | 2. Teil
Lesen Sie mehr: Teil 1 von Markus Brandes | Teil 2 von Marguerite Spycher |
Weitere Referenzen zu Putins Signatur
Marguerite Spycher
Unterschriften können gefallen, beeindrucken, imponieren - oder von Interessierten gesammelt werden. Zuweilen wird auch versucht, eine fremde Unterschrift nachzuahmen. Oft liegt eine Fälschungsabsicht vor, mit der sich jemand einen Vorteil verschaffen will.
Sehr bekannte Personen haben zuweilen auch ein «Double», eine Person, die ihnen sehr ähnlich ist und die in Stellvertreterfunktion auftritt, wenn es sich um einen weniger wichtigen Anlass handelt oder wenn besondere Sicherheitsvorkehrungen dies ratsam erscheinen lassen.
Dies könnte auch der Fall sein bei einem Auftritt von Wladimir Putin, wo der sonst betont zurückhaltende Kreml-Herrscher anlässlich einer Messe in Moskau ein Bad in der Menge nahm und auf ein Whiteboard eine Karikatur zeichnete, die er mit seiner Unterschrift signierte. Darüber hat der Autographenspezialist Markus Brandes den 1. Teil dieser kleinen Serie verfasst.
Das Besondere an Unterschriften
Unterschriften sind rechtsgültige Signaturen, die wir im Alltag häufig verwenden. Rechtsgültig sind sie, weil sie als einmaliger, ganz individueller Ausdruck der Persönlichkeit angesehen werden. Sie sollen unverwechselbar sein, eben damit nicht Unbefugte sich durch ihre Nachahmung einen Vorteil verschaffen können. Unterschriften werden im Laufe der Zeit meist ungenauer. Häufig werden sie eilig hingeworfen, die Formen werden dann einfacher, auf besondere Weise miteinander verbunden und das Ganze wird zunehmend weniger lesbar. Gleichzeitig werden die Bewegungen stark automatisiert, was bedeutet, dass die Nachahmung zusätzlich erschwert wird. Dieser Fährte werden wir folgen.
Vorab muss klar sein: Aus einer Unterschrift allein können niemals zuverlässige Rückschlüsse auf eine Person vorgenommen werden, es braucht immer den Vergleich mit der Textschrift.
Das Untersuchungsmaterial
Für die Untersuchung stellte Markus Brandes eine stattliche Anzahl von Signaturen aus der Zeit zwischen 2002 und 2021 zur Verfügung. Sie sind elektronisch gespeichert, mit wenigen Ausnahmen hoch auflösend und somit für einen einfachen Vergleich absolut brauchbar.
Für diesen Artikel habe ich eine gesichert authentische Unterschrift ausgewählt und erläutere daran die persönlichen Eigenarten der Signatur des Kremlherrn.
Echte Signaturen von Wladimir Putin
Wir alle haben die Erfahrung gemacht, dass unsere Unterschrift nicht immer genau gleich ausfällt. Unterlage, Papierbeschaffenheit, Schreibwerkzeug haben einen gewissen Einfluss, ebenso unsere Tagesform oder die konkreten Umstände. Eine gewisse Variationsbreite ist natürlich, weil äussere Einflüsse zwar eine Rolle spielen, das Wesentliche jedoch erhalten bleibt. Sie denken an die Formen? Klar, die sind auf den ersten Blick zu erkennen. Die wirkliche Substanz in einer Handschrift, wenn man das so nennen möchte, das sind Druckgebung und vor allem der Ablauf der Schreibbewegung.
In der Folge zeige ich die wichtigsten Eigenarten der Signatur von Wladimir Putin exemplarisch an einer Unterschrift aus dem Jahre 2009. Das Beobachtete ist an sämtlichen zur Verfügung gestellten Signaturen zu erkennen, doch wird hier auf weitere Abbildungen verzichtet.
Abb. 1 Signiertes Karatebuch 16. 6. 2009 (Quelle: Markus Brandes Autographs)
Die Charakteristiken in Stichworten: Schwungvolle Schrift, runde Bewegungen, gedachte Zeile ansteigend. Der Anfang gekonnt gestaltet, der hintere Teil der Signatur ist in einem Zug geschrieben und verläuft in arkadenartigen Schleifen, die unten tendenziell spitzig sind und zunehmend kleiner werden.
Betrachten wir die Details dieser Unterschrift:
Zu Beginn wird das Schreibzeug leicht aufgesetzt und in einer gedachten 1 bewegt; der Schluss zeigt, wie die Bewegung fortgesetzt wird. |
Schwungvoll ausgreifende Gestaltung der Initiale, die dem lateinischen B gleicht. Die Bogen tendieren zu eckiger Gestalt. Die Bewegung führt ohne Unterbruch zum nächsten Zeichen. |
Energisch folgt eine zweite kreisende Bewegung, wiederum mit Tendenz zu Ecken oben. Deutliche Richtungsänderung nach Abstrich, spitzer Winkel, dann wieder schwungvoll nach rechts ausgreifend. |
Für die Fortsetzung wird beim kyrillischen u, welches dem lateinischen y gleicht, neu angesetzt. Der Rest wird schwungvoll in einem Zug weiter geführt. Die Schleifen werden kürzer, unten Tendenz zu Spitzen. |
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Will jemand diese Signatur nachahmen, dann müsste zuerst eine Analyse erfolgen, was für Laien doch wohl eher schwierig ist. Ausserdem müssten Details wie zunehmender (1 in Abbildung 2) und auslaufender Druck (11 in Abbildung 5) erkannt werden.
Insgesamt sind Formgestaltung und Bewegungsablauf ausgesprochen gekonnt, auch kreativ und auf alle Fälle sehr eigenständig gestaltet.
Ist diese Unterschrift echt?
Wenden wir uns jetzt der Frage zu, ob die Unterschrift von Wladimir Putin persönlich geleistet wurde oder nicht. Ihre Entstehung ist mit Video belegt, was im Artikel von Markus Brandes (Teil 1) ausgeführt worden ist. Zu berücksichtigen ist, dass sie mit einem Filzstift verfertigt wurde, dass also wegen des Schreibzeuges einige Differenzen zu erkennen sind.
Abb. 2 Unterschrift aus dem Video
Nach den obigen Ausführungen sind doch viele Abweichungen zu erkennen.
Auffallend die unbeholfene und unvollständige Gestaltung des Anfangsbuchstabens. Es fehlen wesentliche Teile, die kreisenden Bewegungen wurden nicht ausgeführt. Ein nach rechts offener Bogen hängt zusammenhanglos über dem kyrillischen «W», das dem lateinischen «B» gleicht. Es folgen zwei einzeln gesetzte senkrechte Striche, deren Funktion ebenso unklar ist wie der erwähnte Bogen. Vermutlich soll dies die Initiale P des Nachnamens darstellen – doch es fehlen die Kreisbewegung sowie die weit nach links ausgreifende Abschlussbewegung. Der Rest ist in einem Zug geschrieben, allerdings in ziemlich deutlichen Winkeln und gänzlich ohne Schleifen.
Ergebnis
Diese Unterschrift wurde aufgrund der offensichtlichen Unstimmigkeiten in Formen und Bewegungsablauf mit Sicherheit nicht vom Kremlherrn geschrieben. Das bedeutet, dass die Person, die sich an jenem Anlass in Moskau als Wladimir Putin ausgegeben hat, ein Double war.
Über die Autorin
Marguerite Spycher ist diplomierte Graphologin und arbeitet seit 35 Jahren als unabhängige Beraterin in der Nähe von Zürich. Häufig wird sie angefragt, um besondere Fragestellungen rund um Handschriften zu klären. Sie verfasst Essays über die Schriften bekannter Persönlichkeiten und ist Autorin des Buches «Ein Papst zu viel».
https://grapho.ch und https://margs.ch